Eine der größten Pleiten der Finanzwelt betraf auch deutsche Anleger: Kunden des Brokers WH Selfinvest hatten Gelder beim im vergangenen Jahr in die Insolvenz geschlitterten britischen Broker MF Global geparkt. Dieses Kapital rutschte Ende 2011 in die Insolvenzmasse – Ausgang ungewiss. Nun hat WH Selfinvest bereits vor Abschluss des Insolvenzverfahrens erreicht, dass sämtliche der rund 1500 betroffenen Kunden ihr Geld in vollem Umfang zurück bekommen. Mit Christian Schneider von WH Selfinvest sprach Nico Popp.
Aktien-Blog: Ende des vergangenen Jahres schlitterte der Londoner Broker MF Global in die Pleite. Der Anbieter hatte unter anderem mit Geldern seiner Kunden spekuliert. Auch Kunden von WH Selfinvest waren zunächst von der Pleite beeinträchtigt. Welche Folgen hatte die Pleite unmittelbar auf Ihre Kunden und wie haben Sie in den Tagen nach der Pleite reagiert?
Christian Schneider: Die Insolvenz von MF Global führte dazu, dass alle Konten unsere Futureskunden eingefroren waren, wodurch große Unruhe und Angst um die Gelder der Anleger entstand. Zum Glück waren wir in den Jahren zuvor vorsichtig genug und hatten eine zweite Depotbank zu Verfügung. Dadurch gelang es uns relativ rasch, neue Konten einzurichten und Kunden auch unter Einschuss neuen Kapitals weiter zu traden und Positionen zu transferieren.
Aktien-Blog: Kunden von MF Global müssen seit vergangenem November auf ihr Geld warten. Sie haben sich jetzt dazu entschieden, Ihren Kunden sämtliche Gelder, die von der Pleite MF Globals beeinträchtigt waren, zu ersetzen. Wie genau machen Sie das und warum haben Sie sich dazu entschlossen?
Christian Schneider: Nachdem im Juni 26% der Gelder von KPMG über uns an die Kunden zurück gezahlt wurden, gab es nun die Möglichkeit, weiter zu warten oder selbst aktiv zu werden. Wir haben im Zuge einer Exit Strategie einen Ausweg gesucht, der für uns und vor allem unsere Kunden akzeptabel war, und dann einen Käufer gesucht, der die Ansprüche unserer Kunden gegenüber MF Global, sogenannte Claims, übernimmt. Es ist üblich, dass Broker von Hedge Funds oder Banken, die Claims kaufen wollen, kontaktiert werden. Meist zu mittelmäßigen Konditionen. Wir haben wohl gut verhandelt und kamen am Ende dank Dollarstärke auf 97,5% der Kundeneinlage. Die restlichen 2,5% haben wir selbst draufgelegt, um uns bei den Kunden für ihr Vertrauen zu bedanken. Nur einige wenige Prozent aller Kunden hatten die Konten nach der Insolvenz geschlossen. Viele kommen nun wieder, da sie sehen, dass wir zuverlässig sind und Wort halten.
Aktien-Blog: Sie sind ein luxemburgischer Broker. Viele Ihrer Kunden leben in Deutschland, Österreich oder der Schweiz. MF Global war in London beheimatet. Könnten Sie kurz die bürokratischen Hürden skizzieren, die Sie überwinden mussten?
Christian Schneider: Wir sind auch ein deutscher, belgischer und französischer Broker mit allen nötigen Lizenzen. Aber die WH Selfinvest Zentrale sitzt in Luxemburg, das stimmt. Die bürokratischen Hürden zu skizzieren, würde lange dauern. Aber ein Beispiel: Wir haben für alle Kunden die komplette Abwicklung aller Claims übernommen. Die Kunden mussten nichts in diese Richtung unternehmen. Alleine das Formular für die Forderung wäre pro Kunde ca. 9 Seiten lang und in Englisch gewesen. Es hatte zudem einen Anhang von 30 Seiten FAQ, auch in Englisch. Ich glaube unsere Kunden waren froh, dass wir das alles geschultert haben. Natürlich waren wir auch mehrmals in London bei KPMG, dem Insolvenzverwalter, und haben eine spezialisierte engl. und eine Luxemburger Anwaltskanzlei eingeschaltet. Zusammengefasst kann man sagen, dass ein Teil unseres Teams in den letzten 10 Monaten rund um die Uhr an diesem Fall gearbeitet hat.
Aktien-Blog: Sicherlich ist Ihr Engagement für die Kunden eine große Hilfe. Wie gestalteten sich die vergangenen Monate aber konkret? Gab es einige Trader, die ohne ihr Kapital nicht arbeiten konnten oder haben Sie Alternativen geschaffen?
Christian Schneider: Ja, es gab Kunden, die es hart, ja existentiell getroffen hat, da wir viele Berufstrader haben. Zum Glück hatten wir die Möglichkeit geschaffen, bei der neuen Depotbank mit kleinen Beträgen ein Konto zu eröffnen. Viele Kunden haben auch einfach ein CFD- oder Forexkonto eröffnet, das eine geringere Mindesteinlage hat. Damit haben Sie dann weiter getradet. In Großen und Ganzen kann man unseren Kunden nur danken, sie waren sehr verständnisvoll.
Aktien-Blog: Nach der Pleite von MF Global wurde eine Diskussion über die Regulierung solcher Anbieter laut. Wie weit fortgeschritten sehen Sie den Prozess? Können klare Regeln eine zweite Pleite dieses Ausmaßes verhindern?
Christian Schneider: In diesem Zusammenhang verweise ich auf unsere Kunden. Diese können mit großem Hebel handeln und sind sich der Risiken bewusst. Wir als Broker haben die Aufgabe, sie darauf hinzuweisen und zum vernünftigen Umgang mit den Geldern zu veranlassen.
Wie kann nun MF Global eine derart große Position aufbauen, wie kommt es dazu, dass ein Unternehmen ein derart großes Risiko eingehen darf? Und wer prüft und schreitet ein, wenn eine Firma offensichtlich überhebelt und zu riskant investiert ist und damit Kundeneinlagen gefährdet? Diese Fragen müssen gestellt werden, nicht nur an Broker.
Aktien-Blog: Wie sichern als Broker sich gegen ein solches Risiko ab?
Christian Schneider: Diversifikation im Sinne von Kooperation mit vielen verschiedenen Banken und Partnern ist das eine. Dann die richtigen Verträge, die segregierte Konten und Einlagensicherung garantieren. Ganz sicher können Sie nie sein – leider.